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Kronen Zeitung - 25.09.2009
Die zwei Seiten der Gleichgültigkeit
"steirischer herbst" 2009 gestern Abend in der Grazer Helmut-List-Halle eröffnet

Unter dem üblichen - erfreulichen - Andrang aus Politik, Kunst, Wirtschaft und Medien wurde der "steirische herbst" 2009 eröffnet. "All the same - Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist?" ist die zentrale Frage, die bis 18. Oktober in zahlreichen Veranstaltungen aufgeworfen wird. Zum Auftakt verwandelte der "herbst" die List-Halle in einen "Tempel der Vernunft".
In einen "Tempel der Vernunft" lud der "steirische herbst" mit seiner Intendantin Veronica Kaup-Hasler (hier mit Ministerin Claudia Schmid, rechts) zur gestrigen Eröffnung in die Grazer List-Halle. Politprominenz bis hin zur Kunstministerin Claudia Schmied, zahlreiche Vertreter aus Kunst, Wirtschaft und Medien und viel "reguläres" Publikum: Zur mittlerweile traditionell in der List-Halle ablaufenden Eröffnung des "steirischen herbst" herrschte wieder ebenso gewohntes wie erfreuliches Gedränge. Zirka 1000 Gäste kamen zum Auftakt des Festivals, das sich heuer die Doppelbedeutung des Begriffs "Gleichgültigkeit" zunutze macht. Intendantin Veronica Kaup-Hasler in ihrer Eröffnungsrede: "Wir spielen heuer mit dem Begriff in allen Bedeutungen - von der Gleichgültigkeit als Desinteresse bis hin zur Gleichberechtigung als Utopie und Alltagsforderung." Dass der Wertekatalog der Gesellschaft zwar Fixpunkte hat, aber im Grunde dynamisch strukturiert ist, ergibt für die kommenden Wochen ein sehr weit gefasstes künstlerisches Forschungs- und Betätigungsfeld. Gleich zu Beginn nahm man sich einem Pfeiler des tradierten Wertekatalogs an: Der zwischen Installation und Performance angesiedelte "Tempel der Vernunft" bemühte im Titel das rhetorische Pathos der Aufklärung, spielte aber nicht unironisch und zeitgemäß mit dem Begriff "Vernunft".

"Vergangenes Jahr war von der ,Krise die Rede. Damals waren sich alle einig, dass es nicht so weitergehen dürfe. Dass das Wirtschaftssystem, voran die Finanzwirtschaft, überdacht werden müsse, der Maßlosigkeit durch Werte und Regeln Grenzen gesetzt werden müssen Aber wo hat ein Umdenken wirklich begonnen oder gar Früchte getragen? Offensichtlich werden wieder Gewinne gemacht, die Börsen erholen sich. Dass zugleich Arbeitslosigkeit und Verarmung voranschreiten, registriert man mit hilflosem Bedauern und zunehmender Gleichgültigkeit." "Der ,herbst stellt diesmal die Frage, welche Parameter unser Leben bestimmen. Nach welchen Maßstäben und Werten handelt unsere Gesellschaft? Werte neu zu definieren oder sie neu für sich zu entdecken ist ein vitaler Prozess." "Das Prinzip der Gleichheit ist ein Pfeiler demokratischer Gesellschaften. Wir wissen, dass das mehr frommer Wunsch ist." "Wir beobachten relativ gleichgültig, wie unter dem Anspruch der Effizienz vieles an privatwirtschaftliche Strukturen und ihre schwankende Konjunktur delegiert wurde Der Verlierer in diesem Spiel ist immer die Innovation; in der Kunst die Zeitgenossenschaft, das Experiment. Soziales, Kunst, Bildung sind keine Felder, die eine Gesellschaft einfach ,outsourcen kann."

Martin Gasser