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korso - 01.10.2009
Zur künstlerischen Befragung des Interviews
In Talkshows wird heute großzügig allen das Wort erteilt, gleichzeitig heißt es immer wieder, dass den Unterrepräsentierten eine Stimme gegeben werden muss.

Wie kaum eine andere Kulturtechnik prägt das Interview unsere Medienlandschaft. Wie wichtig ist das Sprechen in einer Welt, die medial permanent Gerede inszeniert? Vorgeblich dient das Frage- und Antwort-Spiel dem Erkenntnisgewinn, doch ist seine Verwendung oft inflationär, das Gesagte belanglos. Auch in der Kunst wird es als Methode verwendet, ist ästhetische Praxis. Im Medienturm kommen nun, kuratiert von Marc Ries und der IAG-Leipzig, Hildegard Fraueneder und Reinhard Braun, Arbeiten zu Wort, die das Interview aus der Selbstverständlichkeit der Kommunikation herausheben und Mechanismen aufzeigen. Von Wissensproduktion und Überzeugungsbildung.

Inszeniertes Sprechen und ins Bild gesetzte Sprachlosigkeit. Und es ist die Stimme, die am Anfang eines jeden Interviews steht. Im ersten Raum herrscht der rein verbale Widerstreit aller Arbeiten vor, der sich zum undurchdringbaren Rauschen überlagert.  Die 25 Arbeiten werden dagegen dominiert vom audiovisuellen Aufzeichungsverfahren, das die Beglaubigung des Gesagten gleich dazuliefert. So geht es Yvon Chabrowski um das Setting, das Szenario aus Beleuchtungskörpern und cleanem Hintergrund, das das Interview erst massenmedial verwertbar macht. In der Opferrolle eine Schauspielerin, die Prinzessin Diana und ihre öffentliche Ausgesetztheit beim letzten Interview nachstellt. Jörg Burger spielt auf die scheinbare Logik an, die menschlicher Kommunikation oft zugrunde liegt. Das Gespräch zwischen zwei Frauen, das die eine als psychisch labil zeigt und den Zuschauer zu Recht verstört, entpuppt sich am Ende als gestellte Ausbildungssituation für Therapeutinnen. Corinna Schnitts „Living a beautiful life“ inszeniert dagegen in modern-stilgerechtem Ambiente das glückliche Leben eines Paares in Los Angeles. Die Verstrickung in Widersprüchlichkeiten ergibt sich über den Text, der rein aus Umfrageergebnissen rekrutierte Auskünfte über Wünsche und Sehnsüchte für ein ebensolches Leben aufzählt.
Auf der politischen Ebene thematisiert Antoni Muntadas die Rolle eines ehemaligen Übersetzers von Mikael Gorbatschow als „Medium“ der Mächtigen. Und Jochen Gerz zeigt 62 Mitglieder der Akademie der Wissenschaften im Interview. Auf seine Frage nach einem Denkmal für die ermordeten Juden Europas zelebriert er den Moment des Nachdenkens bevor das Sprechen überhaupt einsetzt.