"'Gleich & Gültig' ist eine Referenz zum Thema 'All the Same': Was ist, wenn alles gleich und gültig ist? Wir haben lange mit dem Begriff gleichgültig gearbeitet. Meine Überlegung war, wo sich dieses Thema in der Musik findet", erklärt Kira Kirsch. Die Dramaturgin des steirischen herbst hat das Clubprogramm zusammengestellt.
Freitags und samstags finden im ersten Stock des Festivalzentrums Konzerte statt, während die DJs zu ebener Erde in der vormaligen gläsernen Kassenkoje unter Palmen auflegen. Umgeben von Topfpflanzen und einer Südsee-Tapete.
Was denn der Club des steirischen herbst mit gleich und gültig zu tun hat, hat sich schon Arthur Einöder gefragt.
"Im
Club treten zum einen viele Duos auf, und zum anderen habe ich
Formationen gewählt, bei denen zwei Formen gleich beieinander stehen,
wie die Musik und die Visuals von The Gangpol & Mit"
, erklärt Kirsch.
Nach dem Einstand mit Ja, Panik und ihrer Albumpräsentation von "The Angst and The Money" im randvollen Club im zum Festivalzentrum adaptierten Orpheum, verwandelten die beiden Franzosen The Gangpol & Mit
den Saal letzten Samstag in ein Kino. Und alle mit müden Beinen machten
es sich zu fröhlich hüpfenden Elektrosounds auf den Stufen bequem,
sahen animierte Visuals, die mit auf die Spitze gezeichneten Klischees
die Kolonialzeiten in die Gegenwart weiterzogen und mit Cartoonmännchen
zu Fantasie-Folklore jonglierten. Visuals, die wie kurze Clips mit
Appellcharakter versehen und noch dazu schwarzhumorig daherkommen,
sieht man nicht alle Ausgehtage.
Die Herren fusionieren ihre Arbeit derart gekonnt, dass ich hoffe, der Auftritt war nicht ihr letzter hierzulande.
Das "steirischer fest", wie The Gangpol & Mit den herbst auf ihren Webseiten umtauften, lädt mit den Clubkonzerten bis 17. Oktober zu weiteren Entdeckungen ein. Zur Orientierung hat Kira Kirsch eine Shortlist zusammengestellt.
Das
deutsch-italienische Duo hat sein Album "pasp" letztes Jahr
herausgebracht, da stand das Clubprogramm '08 bereits kurz vor dem
Soundcheck. In Deutschland sind die Woog Riots, die sich nach einem Badesee benannt haben, getourt, hierzulande waren sie nur im Fluc. "Also eingeladen.", so Kirsch. "Ich
habe das Album wieder und wieder gehört. Ihre Texte und die Musik haben
ein sehr ausgewogenes Verhältnis zueinander. Inzwischen haben sich The
Woog Riots bereits weiterentwickelt und diese klare Duett-Geschichte Richtung elektronische, tanzbare Musik aufgeweicht. Live stehen sie nun zu dritt auf der Bühne."
"Das
ist interessant, da hier drei Leute zusammenarbeiten, die ein
unterschiedliches Umfeld haben, aber für sich sehr starke
Persönlichkeiten sind"
, findet Kirsch. The Very Pleasure sind
der Bildende Künstler Hans Schabus, Fritz Ostermayer, der auch singt,
sich aber stark theoretisch beschäftigt, und Oliver Welter, der Sänger
von Naked Lunch. "The Very Pleasure wollten eigentlich eine Art
Reisebericht machen und das Edelweiß nach Kirgistan zurückbringen. Das
Projekt ist offensichtlich an Geld oder der Motivation gescheitert, und
jetzt singen sie über die heimischen Berge, den Kitsch und das Edelweiß
von hier."
Das Instrumentarium reicht von Gitarre, Balalaika, Banjo, Ukulele, Orgel, über Akkordeon und Mundharmonika zu G4.
Über einen Sampler vom Label Morr Music ist Kira Kirsch über It's a musical gestolpert. "Sehr
feinmelodiös, sehr ruhig, die klassische Frau-Mann-Duo-Geschichte.
Fortwährend erzählen sie kleine Geschichten, so rau wie ausgetüfftelt."
So reden eine Frau und ein Mann im Song "Dinosaur" ununterbrochen aneinander vorbei. In "The music makes me sick" schüttet sich das Duo sein Herz und seinen Ärger über Popmusik aus. Selbst machen sie Indiepop mit süßer Casio-Sound-Glasur.
"Eine große Dame des deutschen Pop, und das neue Album 'Speak Low' ist unglaublich. Wenn man nicht wüsste, dass die Sachen von Kurt Weill und Frederick Loewe stammen. Masha Qrella
hat es geschafft, diesen abgedroschenen, abgenuddelten und in allen
Theater- und Musical-Kontexten gespielten Liedern nochmal einen ganz eigenen Drive zu geben."
Nenne eine/r einmal mehr als fünf weibliche MCs innerhalb einer halben Minute. Selbst ohne geografische Beschränkung muss ich nach M.I.A., Terry Lynn, Fiva, MC Lyte, Uffie kurz nachdenken. Missy Elliot, wenn sie nicht Freizeitsportbekleidung ihren Namen leiht. GoldieLocks ist eine Zufallsentdeckung. "Die Stücke sind sehr melodiös für eine MC und sie scheint eine interessante, junge freche Engländerin zu sein." Während Madame GoldieLocks "I ain't got no Dolla Dolla but I still get high on material things" rappt, liefen Models bei Marc Jacobs-Schauen zu ihrem Song "Neek Chic".
Mit Mickey-Maus-Ohren hat Mocky bereits beim springeight im Grazer Orpheum gewackelt, ebenso auf der großen Bühne wird der Kanadier mit derzeitigem Wahlwohnsitz Berlin beim herbst mit Orchester spielen. "Er ist ein Entertainer mit großer Geste", freut sich die Club-Kuratorin. Mit Mockys eingängigen "Saskamodie"-n wird der herbst-Club dann das Scheinwerferlicht ausmachen.
Der Eintritt ist zu allen Konzerten des Clubs, wie auch der Out-of-Tune-Reihe ist übrigens, gleich und gütig. Beginn ist jeweils 22:30 Uhr, Schauhaus | Festivalzentrum steirischer herbst, Orpheumgasse, Graz.
Nicht zu verwechseln ist der Club mit dem gestrengen Musikprotokoll und auch nicht mit der Konzertreihe elektronischer Musik Out of Tune.
"Wenn ich so die Pop-Tante bin, ist der Florian Malzacher der Theorie-Onkel“, schmunzelt Kirsch. Eine gehörige Untertreibung.
Bei Out of Tune wird Stephan Mathieu ein spezielles Instrumentarium von mechanisch-akustischen Grammofonen bedienen (6. Oktober, 21:30 Uhr, Festivalzentrum).
Der schwedische Komponist und Musiker BJ Nilsen wird live den Soundtrack zu einem Antarktis-Film von John Aitchison kreieren (13. Oktober, 21:30 Uhr, Festivalzentrum).