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Kronen Zeitung - 12.10.2009
Pomp und "Papa" Haydn
Dritter Konzertabend beim ORF-"musikprotokoll" in Graz

Zur rasanten Berg- und Talfahrt geriet der dritte Abend des ORF-"musikprotokolls" in der List-Halle und bei den Minoriten. Von mit Pomp und Trara inszenierten Nichtigkeiten über drängend-intensive Klassikerbearbeitungen für Klavier solo bis zu den lichten Höhen eines Haydn-Meisterwerks reichte die Palette.
"musikprotokoll" im "steirischen herbst" : Bevor das RSO Wien in der List-Halle zur Tat schritt, gab es im Foyer noch die Installation "Breathing Music" einer litauischen Künstlergruppe zu erleben.
Bernhard Lang bearbeitete Joseph Haydns "Letzte Worte". Gestern fand das "musikprotokoll" mit einigen Solokonzerten im MUMUTH ein Ende. Der Samstag sah dagegen den traditionell aufwändigsten Abend: das Gastspiel des in größter Besetzung antretenden Radio-Symphonieorchesters Wien. Ebenso fast schon traditionell hinkt bei diesem Anlass das künstlerische Resultat dem betriebenen Aufwand weit hinterher. Heuer war das aber weder einem lustlosen Orchester anzulasten - es ist eine Freude zu hören, wie das unnötigerweise immer wieder finanziell in Frage gestellte RSO künstlerisch grandios dasteht; noch war der Dirigent bloß kühler Auftragsnehmer. Mit dem neuen ersten Gastdirigent des RSO, Peter Eötvös, stand ein ausgewiesener Fachmann für Zeitgenössisches am Pult. Nein, heuer waren die Werke schwächer. Bernhard Ganders pompös röhrendes "Lovely Monster" erinnerte an ein Kind, das mit seinem neuen, riesigen Spielzeug nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und bei Olga Neuwirths Bratschenkonzert überzeugte die Collagentechnik der Komponistin nicht. Der gefühlsselig spielende Solist Antoine Tamestit ging zudem oft in den Orchesterwogen unter. Rebecca Saunders "traces" erreichte nicht ganz die Klasse ihrer freitägigen Uraufführung, so wurde das spannungsreiche "Hérodiade" von Matthias Pintscher (expressiv: Sopran Marisol Montalvo) zum Höhepunkt. Bei den Minoriten geriet Bernhard Langs aus Motivzellen von Joseph Haydn generiertes "Seven Last Words of Hasan" zu einer Tour de Force zwischen drängend-intensiven Repetitionen und harten Brüchen. Großartig der Pianist Marino Formenti, der anschließend auch Haydns Original "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers" spielte: Schwankend impulsiv, eigenwillig zögernd, rhetorisch, auf Schönungen verzichtend.

Martin Gasser