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Der Standard - 06.08.2009
Die Post der Analphabeten


Vier Männer in einem winzigen Raum mit postergroßen Briefmarken an den Regalen, dazwischen, etwas wirr verteilt, rote Plastik-Sessel: eine Fotografie des General Post Office in Kalkutta. Sie steht am Beginn von Analphabeten schreiben, Stefan Kaegis erstem Beitrag zu den Randnotizen des Steirischen Herbstes. Eine zweite Fotografie darunter: Vor dem abgeblätterten Putz einer Freitreppe sitzt ein Inder an einem Tisch. "Um auch die zahlreichen Analphabeten der Stadt anzusprechen, stehen vor dem Postamt eine Reihe von Schreibtischen, an denen man Briefe diktieren kann."

Ein wenig wie die Post der Analphabeten funktionieren auch die Randnotizen. Zwischen Sender und Empfänger liegen verschiedenste Entfernungen und Ungewissheiten. Bereits zum vierten Mal organisieren Herbst-Dramaturg Florian Malzacher und Schreibkraft-Redakteur Andreas R. Peternell diese Form eines öffentlichen Internet-Reise- und Tagebuchs. Vier Künstler und Künstlerinnen werden in jedem Jahr aufgefordert, mit Splittern, Beobachtungen, Randnotizen eben, die dafür reservierten Seiten des Steirischen Herbstes zu gestalten.

In den vergangenen Jahren waren das etwa Tim Etchells, Kopf von Forced Entertainment, die österreichischen Autorinnen Rosa Pock und Ann Cotten, Thomas Kapielski oder Ivana Sajko.

Jeweils im Mai beginnen die Künstler ihre Notizen, die sich im Herbst verdichten, wenn sie für eine Woche als Beobachter des Steirischen Herbstes nach Graz eingeladen sind. Stefan Kaegi, einer der drei Gründer der Performer-Gruppe Rimini Protokoll, wird beim Herbst zudem mit seinem Projekt Radio Muezzin zu sehen sein.

Ohnehin in Graz lebt die Autorin Angelika Reitzer. Auch der rumänische Künstler Dan Perjovschi, manchem Besucher von der letzten Biennale di Venezia noch in Erinnerung, weilt derzeit in Österreich: Er gestaltet den Umgang des Salzburger Kunstvereins mit seinen ironischen Zeichnungen neu - und löst damit Otto Zitkos rote Wandbemalung des Vorjahres ab. An die Randnotizen schickt er regelmäßig kleine Zeichnungen.

Der Prosaautor, Dramatiker und Performer Jörg Albrecht bespielt, als erster Teilnehmer der Randnotizen, das Forum konsequent mit Web-Soaps und Videotapes, die er mit dem Musiker Mathias Grübel unter dem gemeinsamen Band-Namen "phonofix" produziert. This is the stranger in me. Katastrophenübung #1 heißt der jüngste Streifen: praktische Einübung in die Katastrophe - "This is a test-screaming".

Cornelia Niedermeier