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Falter - 14.10.2009
„Ich in der Zukunft“: Eine hochpoetische Zeitreise
Der junge argentinische Theatermacher Federico León inszenierte im steirischen herbst seine Liebe zum Film

Der steirische herbst pflegt ja durchaus ein Naheverhältnis zu argentinischem Theater. So erfuhr der Grazer Dramatiker Johannes Schrettle vergangenes Jahr eine erfrischende Interpretation durch Mariano Pensotti, bereits 2007 war Lola Arias, die auch diese Woche den herbst bereichern wird, mit ihrer Trilogie „Sueño con revolver / Striptease / El amor es un francotirador“ zu Gast.
Einer der prononciertesten Vertreter der argentinischen Theaterszene, Federico León, war vergangene Woche mit der vom herbst zusammen mit Complejo Teatral (Buenos Aires), Kunstenfestivaldesarts (Brüssel), HAU (Berlin) und Festival delle Colline Torinesi (Turin) co-produzierten Produktion „Yo en el futuro“ („Ich in der Zukunft“) zu sehen. In dieser vereinigt León sein Interesse für Film – sein 2006 entstandener Streifen „Estrellas“ lief ebenfalls – und Theater mit einer seiner zentralen Charakteristiken, der Schilderung des Laufs der Zeit. Über tausend Darsteller wurden gecastet, um in knappen 50 Minuten eine Illusion zu erzeugen, in der sich drei Generationen auf der Vorbühne eines Kinos einen Film ansehen, in dem sich die Großeltern, noch als junge Erwachsene, einen Film ansehen, in dem sie noch Kinder sind.
Was kompliziert klingt, ist aber in erster Linie eine poetische Auseinandersetzung mit dem Festhalten des Alltags, mit dem Verändern und Bewahren, mit Fragen der Zusammengehörigkeit und, nicht zuletzt, eine nette Abhandlung übers Küssen. Durch dieses Spiel eines Films im Film öffnet sich ein zeitlicher Tunnel, der schlussendlich – durch das Drücken der „Rewind-Taste“ – wieder an den Beginn zurückführt.
Für den steirischen herbst als produzierendes Festival führt die aus finanziellen Gründen gewählte Strategie der Co-Produktionen zumindest nicht zu internationaler Aufmerksamkeit. „Yo en el futuro“ lief zuvor schon in Berlin, Brüssel, Turin und Avignon.

Gregor Schenker