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Der Standard - 13.10.2009
Ausgelassene Klangmonster
Uraufführungen beim Musikprotokoll-Festival im Rahmen des Steirischen Herbstes

Man traut sich ja gar nicht schreiben, möchte das Musikprotokoll (im Rahmen des Sterischen Herbstes) eigentlich verschweigen. Angesichts des gegenwärtigen Sparappetits der ORF-Führung, die dem Radio Symphonie Orchester Wien zurzeit eine höchst angespannte Gegenwart beschert, könnte das öffentlich-rechtliche Management womöglich von der Existenz dieses traditionsreichen Schauplatzes Neuer Musik erfahren. Und dabei am Ende feststellen, dass auch dieses (die Moderne sympathisch undogmatisch definierende) Musikprotokoll nicht in den Bereich der ORF-Kernkompetenz zu zählen sei.
Dass es hohe Reputation genießt und auch in diesem Jahr Erfrischendes zu bieten hatte, wäre wohl kein Hindernis, dessen Beitrag zum Steirischen Herbst (80.000 Euro) einsparen zu wollen. Das aus hoher Qualität geborene und nun schon längere Zeit stetig wachsende Ansehen des RSO scheint zurzeit ja auch nicht entscheidend zur Existenzsicherung beizutragen. Noch ist allerdings nichts entschieden. Es kann somit auch nicht schaden, dass etwa nun zum 40. Orchestergeburtstag ganze vierzig Tonsetzer (als Kompliment) neue Orchesterminiaturen verfasst haben, die ab 19. Oktober (auf Ö1 in diversen Sendungen) ausgestrahlt werden.
Zupackende Fähigkeiten
Und wer weiß: Auch die glänzende Orchesterverfassung, beim Musikprotokoll wahrzunehmen, wird in Summe vielleicht dann doch von Nutzen gewesen sein. Unter der Leitung des Ersten RSO-Gastdirigenten und renommierten Komponisten Peter Eötvös demonstrierte man jedenfalls nicht nur bei der Uraufführung von Bernhard Ganders Lovely Monster zupackend seine (hier extrovertierten) Fähigkeiten. Das war natürlich auch notwendig: Das perkussiv angelegt Opus verlangt dynamischen Notenzugriff, setzt auf Glissandikünste ebenso wie auf aggressive Streichereinwürfe und wirkt in Summe wie ein ausgelassen gestikulierender Klangriese.
Nicht weniger suggestiv, jedoch in einer anderen Stimmungslage, das Bratschenkonzert von Olga Neuwirth. Hier markiert quasi die kadenzartige Einsamkeit des Solisten den Beginn. Neuwirth gelingen mit Fortdauer des Werkes auch magisch-schummrige Klanggemälde, die Bratschist Antoine Tamestit allerdings einhüllen und die Präsenz des Solisten, der auch Spätromantisches umzusetzen hatte, ein wenig beeinträchtigen. Ein lösbares Problem jedoch. Das Musikprotokoll gibt sich nicht nur stilistisch, vielmehr auch auch räumlich mobil: Von der Helmut-List-Halle wandert man denn auch in den Stiegenaufgang bei den Minoriten, wo Bernhard Langs Installation Seven Last Words (es nimmt Bezug auf Joseph Haydns Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze ) den Hörer meditativ auf sich selbst zurückwirft. Und: In der Mariahilfer Kirche belauscht er dann Pianist Marino Formenti bei der Erweckung der Klavierfassung des Erlöser -Werkes von Haydn.
Einsame Musikgestalten sind regelrecht ein Festival-Schwerpunkt: Beim sonntägigen Finale im Haus für Musik und Musiktheater (Mumuth) demonstriert Klangforum-Bassist Uli Fussenegger anhand von Werken Lachenmanns, Kurtags und Nachtmanns konzentriert die Ausdrucksbreite des Instrumentes - an der Grenze zur Stille ebenso wie durch offensive perkussive Techniken.
Meditativer agiert Trompeter Franz Hautzinger: Er nutzt die Möglichkeiten der technischen Verstärkung, um seine Ideen zu verfremden, um sie echoartig zu spiegeln und auch, um seinen Improvisationen spontan Soundgebäude zu bauen. Das ergab quasi Kathedralen, in denen Hautzinger delikat auf sich selbst reagierte.

Ljubiša Tošić