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Kurier - 26.09.2009
Wissen und Kunst in kleinen Häppchen
steirischer herbst - Die Eröffnung brachte für jeden etwas - oder auch nichts

Wie eine Hüpfburg für Erwachsene wirkte die Helmut-List-Halle bei der Eröffnung des steirischen herbstes in Graz. Der vom Theater im Bahnhof und der Künstlergruppe raumlaborberlin gestaltete "Tempel der Vernunft" bot für jeden etwas - und wiederum auch nichts. Eine schräge Mischung aus "Let me entertain You" und "Schwarzmarkt des Wissens": Das häppchenweise Verabreichen von Wissen und Kunst verführte letztlich viele Besucher dazu, die Installation einfach als Small-Talk-Kulisse zu nutzen. Die in Kojen unterteilte Zeltstadt versammelte Philosophen, Künstler, Kartenleger, Wirtschaftsfachleute u. a. zu einem "krisengeschüttelten Gesamtkunstwerk". In einer DJ-Koje konnte man sich mit Gedanken über Gehirn- und Gefühlszentren berieseln lassen, ein Insolvenzrechtsberater gab Laien Einblick in Bilanzen. Der Einbrecherkönig Ernst Stummer plauderte aus dem Nähkästchen, in einer Orthopädie-Abteilung konnte man seine Haltung zuordnen lassen (Butler oder Liessmann); Franz Schuh referierte im Ohrensessel über das Streben nach Glück, Fachhändler berieten in der Frage: "Welche Waffe passt zu mir?" und hatten auch entsprechende Ware dabei. Mittendrin bewegte eine poetische, stille Nackt-Performance von Frans Poelstra und Robert Steijn mehr als tausend Worte: "Versuch es einfach - Denken mit dem Arsch - Stille im Herzen." Lang und denkwürdig fiel die Rede von Intendantin Veronica Kaup-Hasler zum diesjährigen Thema ihres Festivals aus: "All the same - Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist?" Die Formel ist angekommen, die Übungen können beginnen.

Caro Wiesauer