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Kleine Zeitung - 16.09.2009
Andere Zeichen setzen
"All the same" muss nicht Gleichgültigkeit bedeuten: Intendantin Veronica Kaup-Hasler über Gefahren für den "steirischen herbst", die Arroganz der Bundeshauptstadt, ungerechte Mittel- verteilung und mehr.

Kleine Zeitung: Schauspielhaus, Oper, Akademie Graz, "herbst" und jetzt auch noch das politische Referat des Landes in weiblicher Hand: Macht das das Leben als Kulturmanagerin leichter?

VERONICA KAUP-HASLER: Ich denke nicht in Gender-Quoten, ich finde es einfach ein schönes Zeichen, dass hier in der Steiermark so viele Frauen in führenden Positionen arbeiten. Sicher ist es heute viel besser als noch vor einer Generation.

Kleine Zeitung: Ist denn weibliches Management anders?

KAUP-HASLER: Zumal die meisten Frauen Kinder haben, sind sie auch fest im ,anderen' Leben verwurzelt. Das bedeutet natürlich, dass sich dann im Beruf manche Probleme und Aufregungen relativieren.

Kleine Zeitung: Sie haben mit 3,6 Millionen Euro nur rund ein Viertel des Budgets der Wiener Festwochen zur Verfügung und sollen außerdem noch möglichst viel selbst produzieren. Wie macht man das?

KAUP-HASLER: Es interessiert mich nicht, über die Budgets anderer Festivals zu sprechen. Aber für die Aufgabe, die uns gestellt ist, haben wir definitiv zu wenig Geld. Wir arbeiten deshalb sehr viel in Kooperationen auf internationaler und lokaler Basis. Dinge, die nur im herbst für Graz entstehen sollen, können wir einfach nicht mehr stemmen.

Kleine Zeitung: Was spricht gegen internationale Koproduktionen?

KAUP-HASLER: Dass man häufig auf die wirkliche Uraufführung verzichten muss und man weniger Interesse der internationalen Medien auf sich ziehen kann. So haben zwar wir für heuer das neue Theaterprojekt der Argentinierin Lola Arias oder Stefan Kaegi und sein Rimini Protokoll mit "Radio Muezzin" nach Europa geholt, aufgrund unserer finanziellen Lage waren sie aber vorher in Brüssel, Avignon oder sonst wo zu sehen . . .

Kleine Zeitung:. . . und das Nature Theatre of Oklahoma, das vor 2007 beim herbst war, wurde nun auch vom Burgtheater "entdeckt".

KAUP-HASLER: Na ja, das ist ja auch irgendwie toll, dass wir so einen Entdeckernimbus haben. Aber die Luft wird dünner. Wenn wir weiterhin diesen Auftrag erfüllen wollen, dann brauchen wir mehr Mittel. Ich darf einfach nicht zulassen, dass der steirische herbst seinen Status als international produzierendes und international agierendes Festival verliert.

Kleine Zeitung: Was sagen Sie dazu, dass in Wien kürzlich 600.000 Steuer-Euros beinahe in das - letztlich gescheiterte - Michael-Jackson-Tribute geflossen wären?

KAUP-HASLER: Hier sieht man das Auseinanderdriften der Maßverhältnisse. Und man wird zornig darüber, dass hoch kommerzielle Projekte noch weiter subventioniert werden und wir um jeden Cent kämpfen müssen. Da fragt man sich schon, inwieweit Aussagen über die begrenzten Mittel nicht eine bloße Krisen-Rhetorik sind.

Kleine Zeitung: Ihr heuriges Programm bietet u. a. mit "Utopie und Monument" markante Kunst im öffentlichen Raum. Setzen Sie damit bewusst Zeichen, dass Kunst noch stärker hinaus gehen muss?

KAUP-HASLER: Ja, da es ja auch der ursprünglichen Tradition des steirischen herbstes entspricht. Und mittlerweile passiert in den klassischen Kulturräumen so viel, dass es darum geht, auch andere Zeichen zu schaffen.

Kleine Zeitung: Fürchten Sie nicht, mit diesem Hinausgehen der Eventisierung geziehen zu werden?

KAUP-HASLER: Eigentlich nicht, aber wir wollen das weder betreiben noch verhindern. Es geht um Kunst, und wenn die so verstört oder aufregt, dass sie als Ereignis wahrgenommen wird, ja warum nicht?

Kleine Zeitung: Der steirische herbst hat früher bequem und gut von Tabubrüchen gelebt. Nun gibt es kaum noch Tabus, bedauern Sie das?

KAUP-HASLER: Nein, es ist ja nicht vorrangige Aufgabe der Kunst, Tabus zu brechen. Wenn das zum Selbstzweck wird, ist das sogar langweilig. Wenn es passiert, dann ist es wunderbar, aber das muss aus der Kunst selbst kommen, das darf kein Vorsatz sein.

Kleine Zeitung: Spannend, wenn auch für uns noch nicht ganz klar scheint, das dokumentarische Theater "Radio Muezzin" im Orpheum zu sein. Werden die Grazer bei Rufen von Muezzins erschrecken wie seinerzeit bei den Urwaldtönen vom Schloßberg von Bill Fontana?

KAUP-HASLER: Nein, das ist ein fast intimes Projekt. Einige Muezzine werden über ihr Leben berichten. Es geht um die Tatsache, dass von den fast 30.000 Gebetsausrufern Kairos fast alle arbeitslos werden sollen, weil die Regierung das zentralisieren will. Es ist eigentlich ein Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen, wie es heute überall üblich ist, bloß in einem für uns eher überraschenden Bereich.

Kleine Zeitung: Ist es nicht erstaunlich, dass der herbst - immer noch - vom deutschen Feuilleton stärker wahrgenommen wird als von den Wiener Blättern?

KAUP-HASLER: Es erstaunt mich nicht, ich komme ja aus Wien und ich kenne die Ignoranz der Hauptstadt, die sich in vielen Bereichen widerspiegelt. Zum Beispiel, wenn man sieht, wie ungerecht das Kulturbudget verteilt ist, die Steiermark bekommt nur rund vier Prozent des Bundesetats. Das ist ein Skandalon.

Kleine Zeitung: Haben Sie ein Motto?

KAUP-HASLER: Ja: Mit "All the same" gehen wir der Frage nach, was gilt, wenn alles gleich und gültig ist. Und: Dem herbst ist nichts gleichgültig!





Interview: Frido Hütter, Michael Tschida