Korso - 08.09.2009
Herbst-Utopien für den Grazer Stadtraum
Welchen Anspruch hat neue Kunst im öffentlichen Raum – gilt das Monument doch als überholt und wird die Utopie als Unmöglichkeit ins Abseits gedrängt.
Sabine Breitwieser, frühere Direktorin der
Generali Foundation, kuratiert die diesjährige herbst-Ausstellung
„Utopie und Monument I. Über die Gültigkeit von Kunst zwischen
Privatisierung und Öffentlichkeit“. 14 KünstlerInnen, denen es nicht um
eine bloße Verortung ihrer Arbeiten als Kunst im öffentlichen Raum
geht, nutzen den Grazer Stadtraum als Bezugsgeflecht. „Diese
Ausstellung entsteht im Bestreben Kunst für den öffentlichen Raum zu
realisieren. Wenn wir uns ein Monument in Erinnerung rufen, geschieht
dies aus der Überlegung von Gemeinschaftlichkeit heraus, von
kollektiver Manifestation und Erinnerung. Dabei haben die Anstrengungen
für Monumente oft genau das aus den Augen verloren und sich in
Konflikte zwischen Auftraggeber und idealisierten Vorstellungen einer
‚unabhängigen’ Kunst verstrickt. In den letzten Jahren haben sich
KünstlerInnen selbst neue Aufgabenfelder gesucht und sich mit Projekten
zum Beispiel an ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen gewendet, zur
Zusammenarbeit eingeladen und versucht, mit ihrer Kunst tatsächlich
gesellschaftlich etwas zu bewegen“, erläutert Breitwieser ihren Zugang.
In diesem Zusammenhang taucht auch das Stichwort der (Wieder-)
Aneignung des öffentlichen Raumes durch die Kunst auf: „Viele sind der
Ansicht, der öffentliche Raum, also die Vorstellung eines von allen
gemeinschaftlich definierten und genutzten Bereichs, sei uns in der
heutigen Gesellschaft, die von Spektakelkultur, von Konsumwelten und
von Überwachung dominiert wird, und letztlich von Ausgrenzung
gezeichnet ist, abhanden gekommen. Dem halten andere wiederum entgegen,
diese öffentliche Sphäre sei eben zu verhandeln, je nach den
Bedürfnissen und Gegenheiten. Dabei sollte aber allen bewusst sein,
dass die Spielregeln ausgegeben und die Rollen vorweg bereits verteilt
wurden“, so Breitwieser.
Kunst zwischen öffentlichen und privaten Interessen.
Der öffentliche Raum hat sich also grundlegend geändert, ist geprägt
von Ökonomisierung und strebt nach flächendeckender Kontrolle. „Hier
bedingt das eine das andere“, meint Breitwieser. „Die Forderung nach
ungestörten Konsumsituationen führt zu einer Verdrängung derjenigen,
die nicht konsumieren können/wollen.“ Da wäre zum Bespiel die Arbeit
des Zagreber Künstlers David Maljkovic: Kroatien hat sich, wie die
meisten ehemals sozialistischen Länder, einer neoliberalen Wirtschaft
verschrieben. „Maljkovic nützt ein utopisch anmutendes Monument eines
kroatischen Bildhauers in Petrova Gora als Plattform für die
Vorstellung einer neuen, künftigen Utopie in Graz: eine Akademie der
bildenden Kunst. Ohne dass es dem Künstler bewusst ist, stellt er sich
dieses Monument dort vor, wo vor einigen Jahren noch die Errichtung des
,Trigon-Museum‘ geplant war.“
Das argentinische Künstlerpaar Dolores
Zinny und Juan Maidagan hat dagegen die Frage der Rollenverteilung in
der demokratischen Gesellschaft aufgegriffen und wird einen Vorhang
vor dem Portikus des Rathauses am Hauptplatz anbringen. „Diese aus
Stoff mit zahlreichen Faltungen gefertigte Skulptur, eigentlich ist es
ein gigantisches, abstraktes Bild, lässt in ihrem dramaturgischen
Setting offen, wer welche Rolle einnimmt, ob das Rathaus oder die Stadt
zur Bühne erklärt wurde oder gar zum Back-Stage Bereich. Der Hauptplatz
als Schauplatz für Events unserer Konsum- und Eventgesellschaft wird
plötzlich in seiner Mehrdeutigkeit dargestellt.“
Die
fortschreitende Nutzung des öffentlichen Raums für ökonomische
Interessen persifliert auch Andreas Siekmann mit „Trickle Down“ und
seinem Globus aus verschrotteten Stadtmaskottchen – von den
Kunstbudgets der Städte mitfinanziert. „Siekmann stellt eine ‚Pressung’
aus 13 solcher Figuren her, eine Skulptur aus einem Gemisch vom
‚Berliner Bären’ bis zum ‚Weißen Rössl’.“
„Die Öffentlichkeit“ als Publikum.
Auf die Frage, was sich die Kuratorin vom Publikum erwartet, spielt
Sabine Breitwieser auf die Geschichte des öffentlichen Raum in Graz an:
„Die Grazer sind mit den Kunstausstellungen in dieser Stadt gleichsam
aufgewachsen. Ähnlich wie in der Kunst und bei den KünstlerInnen kann
ich auf einen gewissen ,Bildungsprozess‘ aufbauen, der natürlich auch
von Konflikten gekennzeichnet ist … wir haben uns einiges an
Einstiegsmöglichkeiten einfallen lassen, wie wir die GrazerInnen zu
einer Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum einladen.“ Michael
Zinganel entwirft mit „Die Stadt spricht“ einen diskursiven
Ausstellungsführer und der Pavillon der Kooperative für
Darstellungspolitik bietet Informationen zu allen Projekten in der
Stadt. Wir dürfen gespannt sein.
Die Eröffnung von „Utopie und
Monument I“ findet am 25. September um 18.00 am Ausstellungspavillon,
Platz der Freiwilligen Schützen (Bad zur Sonne), statt.
Eva Pichler