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Falter - 07.10.2009
Wie man sich zu Tode amüsiert
Forced Entertainment führen vor, dass Unterhaltung richtig weh tun kann

Es ist wie in einem Computerspiel. Aus jeder brenzligen Situation, die sich irgendwie lösen lässt, erwächst ein neues Problem. Und überhaupt ist das Leben halt lebensgefährlich. In „Void Story“, der beim steirischen herbst gezeigten Produktion der britischen Radikaltheaterformation Forced Entertainment, wird dieser Erkenntnis mit apokalyptischer Lust Nachdruck verliehen. Wie Justine in Marquis de Sades gleichnamigem Roman haben die Protagonisten hier keine Chance, dem Horror zu entkommen, jede diesbezügliche Hoffnung entpuppt sich als zynische Illusion, fast noch ehe sie formuliert werden kann.
Das Pärchen mit den Allerweltsnamen stolpert in einer ausgebombten Welt von einer lebensbedrohlichen Unannehmlichkeit in die nächste, wobei sich das Szenario der Qualen sehr abwechslungsreich gestaltet: Killer und Killerinsekten, mafiose Banden, fiese Kleinkinder, Ärzte, Gruselhotels, Untote und ein Ausdauertanzwettbewerb. Darin und in der lakonischen Gestaltung der Dialoge liegt der Witz dieser Story.
Wobei die Geschichte an sich bei forcierter Unterhaltung wie dieser nicht unbedingt im Mittelpunkt steht. Forced Entertainment haben ein Live-Hörspiel gestaltet, die Darsteller lesen ihren Text ins Tischmikrofon und sorgen simultan für die Soundeffekte. Begleitet wird das durch eine Diashow, die das Erzählte durch lustig zusammengeklebte Schwarzweiß-Collagen illustriert. Die vertrauten Katastrophenfilmbilder werden so entfremdet, die dezente Infantilisierung des Grauens trifft sich mit dem unerschütterlichen Festhalten der Protagonisten an ihrem Alltagsverhalten.
Forced Entertainment sind in Graz wohlbekannt, schon im Kulturhauptstadtjahr 2003 haben sie gemeinsam mit dem Theater im Bahnhof die damals neue Murinsel bespielt, vor zwei Jahren inszenierte Autor und Regisseur Tim Etchells beim steirischen herbst das faszinierende von Kindern gespielte Stück „that night follows day“. Mit „Void Story“ machen Forced Entertainment ihrem Namen nun tatsächlich alle Ehre. Der Abend ist auf radikale Weise unterhaltsam. Auch deshalb, weil er die Mechanismen von Unterhaltung durch deren Brechung (ebenfalls längst ein Mechanismus von Unterhaltung) zugleich zelebriert und offenlegt. Schöne Sache!

Hermann Götz