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Kurier - 24.09.2009
Zwischen Gleichheit und Gleichgültigkeit
Die Intendantin des steirischen herbstes geht in die Verlängerung. Für die nächsten Jahre braucht sie aber mehr Geld.

Heute, Donnerstag, wird der steirische herbst mit einem "krisengeschüttelten Gesamtkunstwerk" in der Helmut-List-Halle eröffnet. Ein Interview mit Intendantin Veronica Kaup-Hasler über Kunst, gesellschaftspolitische Aufträge und über Frauen in der Kultur. KURIER:Fangen wir mit dem Motto 2009 an: "All the Same". Was soll es uns sagen? Veronica Kaup-Hasler: Es stellt die Frage: Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist? - und es spielt mit dem Begriff des Gleichen. Es ist verankert, dass alle gleich sind, egal welchen Geschlechts, welcher Religion, welcher Herkunft. Wir erleben aber, dass diese Gleichheit mit den Realitäten nicht mehr zusammenpasst. Gleichheit ist zu einem utopischen Moment geworden. Es herrscht Gleichgültigkeit, Ignoranz und ein nicht mehr Wahrnehmen von Unterschieden. Zwischen diesen Polen bewegen wir uns heuer. Ist das auch ein Fragen nach moralischen Instanzen? Natürlich. Auch wenn die Krise überwunden wird, das System tickt nach dem gleichen Schema weiter. Dabei sollte eine Wertedebatte geführt werden. Und dieses Thema ist natürlich auch in der Kunst relevant: Wer bestimmt, was Kunst ist ... Können Sie da eine spezielle Produktion herausgreifen? Was das Thema betrifft, ja: "Radio Muezzin". Stefan Kaegi beschäftigt sich darin mit dem Leben von Muezzins in Kairo, die unter dem Druck zunehmender Rationalisierung stehen. Es gibt Pläne, die Gebetsrufer zu zentralisieren. 30 Auserwählte sollen mittels Radio übertragen werden, alle anderen - und das sind nur in Kairo 30.000 - wären arbeitslos . Eine Produktion also, die sowohl die religiöse wie auch die globale Debatte trifft? Ja, es ist ein Angebot für einen Zugang zu einer anderen Welt, gerade jetzt, wo in Österreich eine Islamophobie geschürt wird. Und es zeigt, dass Rationalisierung nicht nur bei uns, sondern global stattfindet. Dadurch, dass Rimini Protokoll mit Menschen im Alltag arbeitet - also hier mit drei Muezzins - bekommt diese Produktion besondere Kraft, aber auch durch die Vorsichtigkeit im Umgang mit dem Thema. Die Stempel, die Sie im Programmheft eingeführt haben - mit x% Kunst, x% Literatur, und x% Performance - wurden belächelt. Setzt sich diese Orientierungshilfe durch? Es gibt mittlerweile auch Nachahmer. Die Leute sind dankbar dafür, weil wir es ihnen ja nicht gerade leicht machen. Zeitgenössische Kunst ist ein Hybrid, die Sparten vermischen sich. Die Stempel spiegeln das wider, sind aber auch ein ironisches Element. Im Burgtheater treten jetzt auch Gruppen wie das Oklahoma Theater oder die needcompany auf. Gruppen, die eigentlich auf "Ihrem" Terrain zu Hause sind ...? Positiv formuliert könnte man sagen, es ist ein Zeichen der Offenheit, und es erfüllt einen mit Stolz, dass Künstler, die zuerst beim steirischen herbst waren, an die großen Häuser geholt werden. Gleichermaßen könnte man sagen, dass das eingekauft ist, um das Spektrum zu erweitern, ohne nachhaltige Wirkung. Für die Künstler ist das ein exotischer Ausflug in einen Bereich, in dem sie nicht beheimatet sind. In Graz sind drei wichtige Stellen der darstellenden Kunst von Frauen besetzt: Neben Ihnen Anna Badora im Schauspielhaus, in der Oper Elisabeth Sobotka. In Wien gibt es seit Emmy Werners Abgang am Volkstheater und Sigrid Gareis' Abschied vom Tanzquartier vergleichsweise keine Frau im leitenden Bereich. Zufall? Es ist nicht so, dass in der Steiermark das große feministische Zeitalter ausgebrochen ist. Wir wurden jeweils aufgrund unserer Kompetenz geholt. Aber natürlich wäre es in Wien an der Zeit, da perspektivisch drüber nachzudenken. Es gibt ja ausgezeichnete Kolleginnen für alle zur Verfügung stehenden Positionen der Stadt. Wär das vielleicht eine Möglichkeit für die Zukunft der Festwochen? Auch dafür gäbe es hervorragende Frauen. Wie geht es mit Ihnen und dem steirischen herbst weiter? Ich werde weitere fünf Saisonen bleiben, der Vertrag muss noch unterschrieben werden. Der herbst ist eine aufregende Herausforderung, da stellt sich so schnell keine Routine ein. Nur finanziell stehen wir unter Druck. Wir bekommen 1,9 Mio. ¤ vom Land, und je 660.000 von Graz und dem Bund. Mittlerweile bräuchten wir aber rund 800.000 ¤ mehr - nur, um den Festival-Auftrag weiter zu erfüllen.