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Die Furche - 15.10.2009
Das Leben ist schön und die Zukunft war es auch
rei Generationen treffen bei der österreichischen Erstaufführung von Federico Leóns Generationenspiel „Yo en el futuro“ („Ich in der Zukunft“) beim steirischen herbst aufeinander.

Drei Generationen treffen bei der österreichischen Erstaufführung von Federico Leóns Generationenspiel „Yo en el futuro“ („Ich in der Zukunft“) beim steirischen herbst aufeinander. Zwischen ihnen bleibt die Zeit stehen. Die Orientierung, was heute ist und gestern war, geht verloren. Am Ende der Performance sitzen die Zuseher endgültig in der Zeitfalle.
Seit zehn Jahren gehört der argentinische Filmemacher, Schauspieler und Regisseur Federico León zu den Schlüsselfiguren in der argentinischen Theater- und Filmszene. Und das mit 34 Jahren. Er betreibt künstlerisches Multitasking, und die vielen Preise und Auszeichnungen geben ihm dabei recht. Bei der Produktion, die beim herbst zu sehen ist, führt León Regie. Dass daraus ein feines Poesietheater mit großer Bildkraft geworden ist, ist sein Werk. Denn zuallererst einmal klingt der Abend nach einem anstrengenden und langatmigen Theaterexperiment. Sehr surreal, sehr formal!

Ein ungewöhnlicher Filmabend
Zwei Frauen und ein Mann schauen ihre Kindheitsfilme an, die sie in den fünfziger Jahren mit einer Super-8-Kamera gedreht haben. Zwanzig Jahre später hat sich die Gruppe wieder getroffen und sich erneut dabei gefilmt. Jetzt schon in Farbe, aber immer noch verwackelt. Heute sind sie fünfundsiebzig und lassen Kinder und junge Erwachsene ihre Filme aus vergangener Zeit noch einmal nachstellen. Warum sie es tun, bleibt ein Rätsel. Und es ist letztlich diese Ungeklärtheit, die diesem stillen Abend sein Geheimnis lässt. Schließlich sind neun Protagonisten, drei mal drei Vertreter je einer Generation, beteiligt, die auf der in rotem Samt ausgelegten Bühne im Festivalzentrum des herbstes vor dem ruckelnden und zuckenden Schwarz-Weiß-Film stehen und das Leben der anderen nachstellen.
Schnell merkt man, dass es dieselben Figuren sind. Es entstehen unzählige Zerrbilder aus den alten Filmschnipseln, dem nachgedrehten Material und dem Live-Spiel auf der Bühne. Das ist weniger Spiel als Durchklicken, welches Filmmaterial und Nachspiel scheinbar willkürlich mischt. Die Alten fordern die Kinder und damit eigentlich sich selbst als Kinder auf, die gleichen Szenen zu wiederholen. Das gelingt nicht immer sofort. Der Kuss etwa, den die Kinder im Film sehr unbekümmert auskosten, kostet den Zehnjährigen auf der Bühne Mut und Überwindung. Nur wenige Worte fallen. Was zu tun ist, ist leicht zu verstehen und unspektakulär. Man schaut auf die Leinwand, man wartet ab, ahmt freiwillig oder aufgefordert, beschämt oder erregt nach.
Bei diesem unaufgeregten Generationenarrangement kann kaum etwas schiefgehen. Nur die Zeit vergeht gefährlich langsam. Gegen Ende der dreiviertelstündigen Performance sitzt man dann endgültig in der Zeitfalle, denn plötzlich stehen die Live-Darsteller vor sich selbst im Film. Man erblickt auf der Bühne die Bühne und ist unerwartet mit hineingezogen worden. Es verschwimmt Jetzt-Zeit und filmische Nacherzählung, die zeitliche Orientierung, was heute ist und gestern war, geht verloren. Federico León ist kein Weltweiser, der einem seine Ein- und Zufälle aufs Aug’ drückt. Eher schon wird man von ihm zum Nachdenken abgezogen und einfach dazu verleitet, mit den Zeiten und dem Leben zu spielen. Eine schöne Arbeit, die von der liebenswürdigen Ausstrahlung ihrer Darsteller und von einer bestechenden Schlichtheit lebt. Alles hat eben seine Zeit. Auch die 45 Minuten Ewigkeit.

Barbara Rauchenberger